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Eine Science Fiction Geschichte

© 2017

 

In der Zentrale des Raumkreuzers "Cogolin" herrschte die typische Anspannung vor einem Gefecht. Konzentriert betrachtete die Kommandantin die taktischen Anzeigen des Hauptschirms. Eine riesige Zahl fremder Schiffe wurde dort angezeigt.

"Sie kommen genau hier durch", dachte Ann grimmig. Das war eindeutig kein freundlicher Nachbarschaftsbesuch. "Ihr erwartet doch nicht, dass wir uns einfach so vernichten lassen, oder?"

Die Wartezeit war ein Auf- und Ab der Emotionen gewesen. Drei lange Jahre hatte man in Ungewissheit verbracht, nachdem die Botschaft angekommen war, dieser hasserfüllte Schwur, die Menschheit vom Antlitz des Universums zu tilgen, ohne Gnade und ohne jede Begründung. Absender Unbekannt.

Ann war wenige Wochen später mit ihrem Schiff von einer sechs-monatigen Expedition zurückgekommen und hatte eine veränderte Erde vorgefunden. Nach einer Phase der Bestürzung, des Unglaubens und der Angst hatten inzwischen Entschlossenheit und Trotz Oberhand gewonnen und die Menschheit bereitete sich auf die wichtigste Schlacht ihrer Geschichte vor.

Aus der kleinen Expeditionsmarine der Erde war eine kampfstarke Raumflotte geworden und man hatte die Erde zur Festung ausgebaut. Neue Waffensysteme waren entwickelt und installiert worden und mit der Erfindung der Energie-Schutzschirme besaß man jetzt ein  leistungsstarkes Defensivsystem. Ann war begeistert gewesen, als der Generator endlich auch auf ihrem Schiff installiert und getestet worden war. Die "Cogolin" hatte lange auf die Umrüstung warten müssen. Zunächst waren die Neubauten der Flotte und die großen Bunkeranlagen für die Zivilbevölkerung ausgerüstet worden.

Vor zwei Wochen hatte man die feindliche Flotte geortet und gestern war der Feind im Sonnensystem erschienen. "In unserem Sonnensystem", korrigierte sich Ann. "Nicht eurem!" Sofort nach der Transition aus dem Hyperraum hatte die Armada direkten Kurs auf die Erde genommen. Es war gerade noch genug Zeit gewesen, um den planetaren Schutzschirm, der die ganze Erde einhüllen sollte, zu testen.

Nur eine Handvoll Schiffe der Raumflotte befand sich im All. Sie liefen unter Emission Control (EmCon) und waren deshalb kaum aufzuspüren. Nicht einmal Licht wurde von den schwarzen Außenhüllen reflektiert. Sie flogen Aufklärung und hatten zusätzlich einen Sonderauftrag bekommen. Die übrigen Verbände der Flotte befanden sich auf der Erde, um ihre Energiereserven für den planetaren Schutzschirm zur Verfügung zu stellen.

"Status-Meldung", forderte Ann.

"Eigene Position eine Lichtminute vor Terra auf der äußeren Ekliptik. EmCon Status grün. Beschleunigung Null. Geschwindigkeit 0,3%c. Distanz zum Feind zehn Lichtsekunden. Annäherungsvektor Null. Feind beginnt mit starkem Bremsmanöver. Kontaktpunkt in zwölf Minuten". Der Wachoffizier schnarrte seine Meldung herunter.

Seit Ankunft der Armada waren alle passiven Sensoren der "Cogolin" auf den Feind gerichtet. Man wusste nichts über den Gegner, kannte weder seine Taktiken noch seine Waffensysteme. Keine gute Ausgangsbasis für eine Schlacht auf Leben und Tod.

"Captain, wir haben die internen Datenströme der Feindflotte herausfiltern können und analysiert. Dabei haben wir etwas Interessantes entdeckt. Es gibt dort Telemetrie-Knoten".

Ann sah ihn fragend an. Sie konnte nichts mit der Aussage anfangen.

"Wir glauben, es sind Drohnen, Captain. Es sieht so aus, als ob die Flotte durch eine Gruppe von Führungsschiffen ferngesteuert wird."

"Sind sie sich da sicher?"

"Nicht völlig, Captain. Es gibt aber ein weiteres Indiz. Nach dem Transit der Flotte hat es mehrere Kollisionen mit kleineren Asteroiden gegeben. Das ist normal bei solchen Massenbewegungen. Wir konnten jedoch keine Gasaustritte bei den Schiffen beobachten, die wir für Drohnen halten. Dagegen gab es bei einem Führungsschiff einen deutlichen Atmosphärenverlust. Wir vermuten deshalb, dass die Führungsschiffe bemannt sind, die Drohnenschiffe nicht."

"Captain, die Signale sind extrem schwach und waren schwer herauszufiltern. Wir stehen am dichtesten am Feind und hatten deshalb Glück. Es ist unwahrscheinlich, dass irgendjemand anderes diese Beobachtung machen konnte."

"Wir müssen der Erde schnellstens unsere Auswertung übermitteln. Wenn wir richtig liegen, sollten die Führungsschiffe unsere Primär-Ziele sein. Wir haben sie inzwischen eindeutig identifiziert. Wenn wir sie ausschalten könnten, ist es sehr wahrscheinlich, dass der ganze Angriff in sich zusammenbricht."

Ann nickte. Es war ein bewährtes Prinzip, dem Feind die Führungsfähigkeiten zu nehmen, um eine Schlacht zu gewinnen. Der Schlange den Kopf abschlagen.

"Sichern sie die Daten und Analysen und bereiten sie die Übertragung nach Terra vor. Wir laufen noch unter EmCon. Nach Aufhebung senden sie die Daten jedoch sofort ab, ohne auf weitere Anweisungen zu warten. Haben wir uns verstanden?" Der Mann nickte und eilte an seine Konsole zurück.

"Raumüberwachung an Captain. Die feindliche Flotte unterschreitet den Alpha-Radius. Geschwindigkeit 0,2% c. Abnehmend"

Das waren etwa 600 Kilometer pro Sekunde, überschlug Ann. Um die Erde anzugreifen würden sie noch weiter abbremsen müssen.

Es wurde Zeit für den Sonderauftrag. Die Admiralität hatte befohlen, einen letzten Versuch zur Vermeidung eines Krieges zu unternehmen. Man hatte sich große Mühe gegeben, eine vernünftige Friedensbotschaft an die Fremden zu formulieren. Vernünftig zumindest aus menschlicher Sicht.

Die "Cogolin" lag als einziges Schiff im direkten Anflugvektor des Feindes, weshalb ihr diese Aufgabe zufiel. Niemand an Bord hegte besondere Zuversicht, aber einen Versuch war es  wert.

"Na, dann wollen wir mal". Ann wandte sich dem Kommunikations-Offizier zu. "Aktivieren sie die Nachrichtenboje und lassen sie die Friedensbotschaft absenden". Die Boje trieb rund 10.000 Kilometer hinter dem Schiff; eine reine Vorsichtsmaßnahme um die eigene Position nicht zu verraten. Ein ultrakurzer, genau ausgerichteter Laser-Impuls aktivierte sie.

"Botschaft wird gesendet", meldete die Com. "Sie wird in 10 Sekunden dort ankommen." Es wurde still in der Zentrale und Ann merkte, dass sie nervös auf die Lehne ihres Kommandosessels zu klopfen begann.

Dann jaulten die ECM-Lautsprecher auf. "Störsender! Feind erhöht den Energie-Level". Die Stimme klang aufgeregt. "Achtung! Feind blockiert alle Com-Frequenzen."

"Die wollen wohl nicht hören, was wir ihnen zu sagen haben, Captain", vermutete der Wachoffizier. Ann nickte. Die Aliens hatten das Friedensangebot nicht einmal angehört. Das war kein gutes Zeichen.

"Angriffsalarm! Feind startet Raketen". Mehrere Salven lösten sich aus der feindlichen Formation und beschleunigten mit starken Werten. "Zeit bis zum Eintreffen 23 Sekunden. Zwei Zielvektoren, die Boje und wir, Captain. Wir werden direkt angesteuert".

"Geben sie Gefechtsalarm", befahl Ann und der W.O. drückte den Alarmknopf.

"Konverter volle Kraft, Schutzschirm aktivieren, Ausweichmanöver Bravo, Täuschkörper und Gegenmaßnahmen frei, EmCon beenden, Abwehrfeuer frei, Verschlusszustand!" Ann bellte ihre Befehle, Schiff und Mannschaft reagierten präzise. Das harte Training zahlte sich aus.

"So viel zu unserer Friedensmission", kommentierte der Wachoffizier und schnallte sich fest. Die Besatzung schloss die Raumhelme, um sich gegen einen Druckverlust zu schützen.  Gleichzeitig wurden weite Teile des Schiffs leergepumpt, um Schäden durch explosive Dekompressionen zu vermeiden.

"Feind blockiert weiterhin alle Frequenzen. Wir kommen nicht zur Erde durch", meldete der Funkoffizier. "Weiter versuchen", befahl Ann. "Brennen sie sich durch diese Störfront durch! Die Daten müssen zur Erde!"

Die "Cogolin" jagte mit maximaler Beschleunigung davon. Die zurückbleibende Nachrichtenboje verdampfte Sekunden später in einer Explosionswolke. Dann erreichten die ersten Raketen das Schiff. Das Dröhnen des Antriebs, das Kreischen und Hämmern der Abwehrgeschütze und die flackernden Anzeigen verschwammen im Hintergrund, als die erste nahe Detonation erfolgte. Ann zuckte zusammen, als sie sah, dass aus dem Glutball der Explosion grelle Laserblitze hervorstachen, die das Schiff nur knapp verfehlten. "Maschinenraum - mehr Schub", schrie sie in den ComLink. Mit einem spürbaren Rucken beschleunigte die "Cogolin" weit über das Sicherheitslimit hinaus. Die Andruckabsorber kamen an ihre Leistungsgrenzen. Automatisch baute sich der Prallkäfig um die Kommandantin auf, um sie vor den Erschütterungen zu schützen.

"Das sind bombengepumpte Laser, Ma´am. Die Energiebündelung ist unglaublich. Ein Doppeltreffer könnte unseren Schirm durchschlagen." Ann sah ihn ungläubig an. Solche Sprengköpfe besaß die Erde noch nicht.

"EloKa Effizienz bei 60%". Der Operator klang völlig ungerührt. Sofort nach dem Angriff hatte das Schiff begonnen, Täuschkörper auszustoßen, um die feindlichen Raketen auf Scheinziele zu lenken. Es funktionierte. "Nicht schlecht", kommentierte Ann. In den Simulationen hatten sie mit weniger Erfolg gerechnet.

Aus den Geschützen der "Cogolin" schlug den Angreifern jetzt konzentriertes Abwehrfeuer entgegen. Befriedigt registrierte Ann mehrere Abschüsse. Sie wurden durch die Heck-Batterie erzielt. Ein schlaksiger junger Mann, der erst vor wenigen Wochen an Bord gekommen war, saß dort. Er hatte sich trotz seiner Jugend als ein Virtuose an der Feuerorgel entpuppt. "Gut gemacht", sagte sie laut. Der Junge hatte sie an ihren eigenen Sohn erinnert. Flüchtig dachte sie an ihre Familie, die im Tiefbunker bei Kanton untergekommen war.

"Einkommende Flugkörper sind jetzt ballistisch", meldete die EloKa. "Wir sind außer Reichweite".

"Abwehrfeuer auf aktive Raketen konzentrieren. Munition sparen!" Ann wusste, ballistische Raketen zu ignorieren war kein Risiko. Sie flogen nach Brennschluss einfach nur geradeaus und die "Cogolin" würde durch sie nicht in Gefahr geraten.

Sie nutzte die Gefechtspause für einen Überblick. "Status", forderte sie.

"Abwehrmunition auf 40% Bestand und wir haben nur noch fünf Täuschkörper", berichtete der Wachoffizier. "Wir können immer noch nicht senden. Die Bastarde pumpen unglaubliche Energien in ihre Störsender. Alle anderen Bereiche sind grün", ergänzte er.

Das erste Gefecht hatten sie überstanden, Schiff und Crew hatten sich bewährt. Aber es war knapp gewesen und die Reserven würden für eine zweite Runde kaum reichen. "Halten sie uns aus der Raketenreichweite heraus", befahl sie dem Navigator. "Und versuchen sie diese verdammten Störsender zu übertönen".

Inzwischen flog die "Cogolin" über der Ekliptik wieder in Richtung Erde. Auf irgendeinem Punkt dieser Bahn würden sie die Störungsfront des Feindes durchbrennen können. Dabei half, dass der Feind für seinen Angriff weiter abbremsen musste, während die "Cogolin" weiterfliegen konnte, wenn sich nichts …

"Warnung! Feind verkürzt Distanz. Wir kommen wieder in Reichweite, Captain." Ann musterte das Display und ihre Augen wurden hart. Eine Formation von Feindschiffen hatte den Kursvektor geändert und beschleunigte mit irrsinnig hohen Werten direkt auf sie zu.

"Die wollen es wirklich wissen, oder", knurrte sie. Solche Werte konnte die "Cogolin" nicht erreichen. Sie konnten nicht entkommen. Gleich würde es in die zweite Runde gehen.

"Versuchen sie mit allen Mitteln, nach Terra durchzukommen. Die Aufklärungsdaten müssen raus!" Der Nachrichtenoffizier schüttelte den Kopf. "Keine Chance, Captain".

Die Taktik unterbrach. " Angriffsalarm! Feind startet Raketen. Drei Salven, Eintreffen in 15, 23 und 30 Sekunden". Ann sah in das bleiche Gesicht ihres Wachoffiziers. "Das wird verdammt knapp werden, Ma´am", meinte der. Stahlregen kam und hier draußen konnte man sich nicht unterstellen.

Ann schluckte und sah ihren W.O. ernst an. "Es ist noch nicht vorbei". erwiderte sie entschlossen. Dann brach der Angriff über sie herein wie das Jüngste Gericht. Einzelne Treffer schlugen in den Schutzschirm und verpufften, aber die kinetische Energie reichte aus, um das Schiff weit aus seinem Kurs zu schleudern. Ann klammerte sich mit aller Kraft an ihren Armlehnen fest und dann war das Glück der "Cogolin" aufgebraucht.

Niemand sah den Doppeltreffer kommen. Von einem Moment zum nächsten verwandelte sich die Heckpartie des Schiffes bis hinauf zur Gefechtszentrale in ein kreischendes Chaos aus Licht, Blut und Schwärze. Durch einen meterbreiten Riss konnte man die Sterne sehen. In Sekundenbruchteilen war das Schiff in ein Wrack verwandelt worden; der größte Teil der Besatzung gefallen. Und noch immer flogen weitere Geschosse an. Anns Faust hieb auf den Notschalter. Er funktionierte noch. "Alle Mann von Bord", blökte die Durchsage los. Dann übernahm die Notautomatik und schleuderte sie mitsamt ihrem Sitz durch den Fluchttunnel zu einer Rettungskapsel. Sie spürte einen heftigen Schlag.

 * * *

Langsam drangen die Warnlichter und Alarmmeldungen in ihr Bewusstsein. Alles fühlte sich falsch an. Als sie sich aufsetzen wollte, zuckte ein greller Schmerz durch ihren Rücken. Keuchend rang sie nach Luft. Die Med-Einheit ihres Anzuges verabreichte ihr sofort mehrere Injektionen. Ann fluchte laut, als sie von den schmerzhaften Einstichen überrascht wurde, doch Sekunden später fühlte sie sich besser.

Ich war wohl einen Moment weggetreten, dachte sie, während sie sich an die letzten Sekunden zu erinnern versuchte. Es waren nur einzelne Eindrücke; die zerfetzte Zentrale, das Wrack ihres Schiffes, als die Fluchtkapsel herauskatapultiert worden war, die schreckliche Explosion, die das Schiff endgültig verdampfte.

Sie versuchte, sich zu sammeln. Ich habe mein Schiff und meine Crew verloren, dachte sie bitter. Sie wusste nicht, ob es weitere Überlebende gab. Rettungskapseln waren ausgezeichnet getarnt, um nicht vom Feind abgeschossen zu werden. Finden konnte man sie nur, wenn der Peilsender aktiviert wurde.

Der heftige Schlag während der Evakuierung fiel ihr wieder ein. Auch ihre Verletzungen waren ungewöhnlich. Etwas musste schief gegangen. Sie rief die Basis-Checkliste auf und begann sie abzuarbeiten.

Die Andruckabsorber sind ausgefallen. Merkwürdig. Diese Aggregate waren ringförmig in die Außenhülle integriert und sehr robust. Sie rief die Außenkameras auf. Das sah nicht gut aus. Die Kapsel musste eine massive Kollision gehabt haben. Dann erschrak sie. Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag. Die Absorber waren das kleinste Problem. Die Peilsender waren weg.

"Niemand wird mich finden können". Der Gedanke schoss Ann mit kalter Klarheit durch den Kopf. Angst stieg in ihr auf. Als sie es merkte, atmete sie ein paar Mal tief durch und versuchte,  sich zur Ruhe zu zwingen. Nur keine Panik, sagte sie sich.

"Lassen sie sich niemals von den Umständen beherrschen. Erst analysieren, dann entscheiden, dann handeln", hatte der Admiral auf dem Kommandolehrgang erklärt. In dem komfortabel ausgestatteten Lehrsaal der Akademie hatte  sich das sehr vernünftig angehört. Jetzt aber war alles anders. Jetzt trieb sie in einer winzigen, defekten Kapsel mutterseelenallein durch den Weltraum.

 ***

Im Hauptquartier der Raumflotte stand der Admiral auf der Kommando-Empore. Er war der ruhende Pol in der von hektischer Aktivität erfüllten Halle.

Sein Lageoffizier trat heran. "Sir, wir haben die Explosionen, die zur Vernichtung der Nachrichtensonde und der "Cogolin" führten, optisch ausgewertet. Alle anderen Scans wurden durch die feindlichen Störsender blockiert. Inzwischen ist auch die Verbindung zum Mond nur noch über Com-Laser möglich. Mit Beginn des Angriffs wird auch dieser Weg ausfallen."

Der Admiral nickte. "Damit war zu rechnen. Was wissen wir über die feindlichen Waffen?" Der Lageoffizier klärte ihn auf und trug die Schlussfolgerungen des Stabes vor. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Schutzschirme hielten, würde es dennoch zu großen Verwüstungen auf der Erde kommen.

Der Admiral nahm die Informationen schweigend auf. "Alle Kommando-Offiziere sofort zur Besprechung in den Konferenzraum", ordnete er an. Bevor der Lageoffizier davoneilen konnte, hielt ihn der Admiral auf. "Gibt es weitere Informationen über die "Cogolin?", wollte er wissen.

"Das Schiff wurde vollständig vernichtet, Sir. Die Chancen für Überlebende sind minimal". Er zögerte einen Moment. "Es tut mir sehr leid, Sir. Ich weiß, dass sie und die Kommandantin befreundet waren."

Der Admiral schüttelte den Kopf. "Nicht befreundet waren", korrigierte er. "Befreundet sind"! Der Lageoffizier ging davon. Der Admiral dachte einen Moment an seine alte Freundin Ann. Die Vorstellung, dass sie für immer fort sein sollte, fühlte sich ganz falsch an. Dann wandte er sich wieder den großen Bildschirmen zu. Gleich würde die Schlacht beginnen.

 ***

Die feindliche Flotte hatte sich um die Erde formiert und mit der Beschießung begonnen. Den Mond hatten sie ignoriert. Gewaltige Detonationen brandeten gegen den Schutzschirm des Planeten. Die Angreifer testeten seine Kapazität.

Ann hatte auf ihrem Schirm einen weiten Blick über das Erde-Mond System, das direkt auf ihrem Kurs lag. Die ersten Explosionen hatten sie zutiefst erschreckt. Sie waren gigantisch gewesen; viel größere Kaliber als beim Angriff auf ihr Schiff. Sie hatte die Wucht der Nahtreffer auf der "Cogolin" erlebt und wusste deshalb, welche kinetischen Kräfte freigesetzt wurden. Auf der Erde würde es furchtbare Erdbeben, Tsunamis und Vulkanausbrüche geben.

Inzwischen hatte sie erkannt, dass die verlorenen Peilsender ihre Lage nicht verschlimmert hatten. Selbst wenn sie auf allen Frequenzen ihre Position und ihr S.O.S hätte herausschreien können, wäre das in der Störungsfront der Aliens und dem energetischen Chaos der Schlacht einfach untergegangen.

Tiefe Resignation hatte sie erfasst. Sie hatte Schiff und Mannschaft verloren und nun stand auch das Schicksal der Erde, ihrer Familie und ihrer Freunde auf Messers Schneide. Und dann war da noch ein nagendes Schuldgefühl.

Je länger sie nachdachte, desto schlechter fühlte sie sich. Die Aufklärungsergebnisse hatten Terra nicht erreicht. Daten, die die Erde jetzt retten könnten. Sie war völlig auf die Reaktion der Aliens auf das Friedensangebot fokussiert gewesen. Dabei hatte sie das Zeitfenster übersehen, in dem die Übertragung möglich gewesen wäre. Die Spanne zwischen der Aktivierung der Nachrichtenboje und dem Einsetzen des feindlichen Störfunks hätte allemal ausgereicht. Aber sie hatte keinen Gedanken daran verschwendet und danach war die Chance vertan gewesen. Sie hatte einen unverzeihlichen Fehler begangen und die Erde musste jetzt dafür bezahlen.

Auf dem Sichtschirm beobachtete sie die Explosionswolken, hinter denen ihr Heimatplanet zeitweise kaum noch zu sehen war. Inzwischen wehrte sich die Erde nach Leibeskräften. Mörderisches Abwehrfeuer wütete unter den Angreifern. Wenn sie doch nur wüssten, dass sie nur wenige Schiffe anzugreifen bräuchten um diesen Wahnsinn zu stoppen, dachte Ann mit einem Anflug von Verzweiflung.

Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie ratlos und wusste nicht, was sie als nächstes tun sollte. Das Schicksal der Erde hing am seidenen Faden und alles, was sie tun könnte, war, von ihrem Logenplatz aus zuzusehen. Sie wandte sich ihrer Kursprojektion zu. Ihr Flug würde sie mit wenigen Tausend Kilometern Abstand an der Mondrückseite vorbei führen. Mit dem Antrieb der Kapsel war daran nichts zu ändern; er war nur für kurze Manöver ausgelegt. Sie lehnte sich in ihrem Sitz zurück und schloss die Augen. Schachmatt, dachte sie. So fühlte es sich also an, wenn man keine Optionen mehr hatte. Darauf wurde man im Kommandolehrgang nicht vorbereitet.

Als sie die Augen wieder öffnete, fiel ihr Blick auf die halb abgearbeitete Checkliste.

***

Die Stützpunkte auf dem Mond befanden sich unter EmCon und waren der Aufmerksamkeit des Feindes bisher entgangen. Fast alle Einrichtungen lagen tief unter der Oberfläche und waren dadurch auf natürliche Weise getarnt. Man hatte auch hier ein Schutzschirm-System installieren wollen, aber die Zeit hatte dafür nicht ausgereicht. Der Mond lag auch außerhalb der Reichweite der Verteidigungswaffen der Erde und war deshalb auf sich allein gestellt. Tarnung und Deckung waren die einzigen Optionen.

Immerhin hatte man begonnen, moderne Stealth-Raketensysteme zu stationieren. Durch die niedrige Schwerkraft und die fehlende Atmosphäre war der Mond ein idealer Ort für solche Waffen. Sie wurden von abgeschirmten Katapulten beschleunigt, flogen im Passiv-Modus an und aktivierten sich erst im unmittelbaren Zielanflug. Dann jedoch stürzten sie sich extrem schnell und mit vernichtender Präzision auf ihre Ziele. Während der Erprobungsphase hatte dies die Kommandanten der Zielschiffe maßlos erzürnt. Man sah sie nicht kommen und hatte dann auch keine Zeit mehr, zu reagieren. Sie sprachen deshalb nur noch von den FHMs, den "fiesen heimtückischen Mistdingern". Die Bezeichnung hatte sich schnell durchgesetzt. Leider stand angesichts der riesigen Feindflotte nur ein Bruchteil der benötigten Systeme zur Verfügung. Bisher hatte man sie zurückgehalten.

Inzwischen war die Belagerung der Erde jedoch in ein neues Stadium getreten. Die Lage hatte sich dramatisch verschlechtert. Der Schutzschirm um die Erde hielt zwar und immer noch rissen die schweren Strahler der Planetenverteidigung Lücken in die Angreifer, aber die Batterien hatten das Feuer bereits stark zurücknehmen müssen, um ihre Energie zur Verstärkung des Schutzschirms abzugeben. Der Feind hatte diese Schwäche schnell erkannt und war zu intensivem Punktbeschuss übergegangen. Der Mond würde seine Waffen bald in die Waagschale werfen müssen.

Was geschehen würde, wenn der Schirm um die Erde fiele, war den Beobachtern völlig klar. Der Planet würde vollständig vernichtet werden; vermutlich sogar auseinanderbrechen. Die Menschheit wäre verloren. Und dann würden die Angreifer beidrehen und sich den Mond und die übrigen Einrichtungen im Sonnensystem vornehmen. Nichts würde verschont bleiben.

"Was halten sie davon", fragte der Kommandeur der Mondbasen seinen Stab und verwies auf die vorliegende Prioritäts-Nachricht. Der Chef des Nachrichtendienstes hob die Hand. "Sir, wir wissen nicht, ob die vorliegenden Schlussfolgerungen zutreffen. Wenn wir uns irren, könnte es auch sein, dass sich plötzlich Tausende von Kamikaze-Schiffen auf die Erde stürzen." Er schüttelte kurz den Kopf. "Andererseits spitzt sich die Lage deutlich zu. Wir werden unsere eigenen Waffensysteme sehr bald einsetzen müssen, um der Erde Luft zu verschaffen. Wenn wir dann leergeschossen sind, werden wir faktisch wehrlos sein."

"Ihre Empfehlung also?", forderte der General knapp.

"Ich schlage vor, die markierten Schiffe anzugreifen und simultan zu vernichten. Eventuelle Restbestände sollten wir zur unserer direkten Verteidigung einsetzen. Mehr können wir dann ohnehin nicht mehr tun."

"Gibt es andere Vorschläge?", fragte der General in die Runde. Es gab sie nicht. "Lassen sie Feuerbereitschaft herstellen", befahl er mit fester Stimme.

Nur wenige Minuten später wurden fast zweihundert Stealth-Waffen nach einem exakt berechneten Feuerplan von ihren Katapulten in den Raum geschleudert und näherten sich ihren Zielen.

Alle Augen waren auf die taktischen Displays im Gefechtsstand gerichtet. "Zeit bis zur aktiven Endphase 10 Sekunden", meldete die Feuerleitung. Bisher hatte der Feind die Annäherung der Waffen nicht bemerkt. Auch hier waren die teuflischen Geschosse nicht auf dem Schirmen sichtbar. Die Anspannung im Raum war deutlich zu spüren.

"Aktive Phase startet jetzt". Sofort erschienen die blauen Markierungen der eigenen Raketen auf dem Schirm. Sie tauchten dicht bei ihren Zielen auf und jagten mit irrwitziger Beschleunigung darauf zu.

Kurzer Jubel hob an, als die Treffer erfolgten, doch nur einen Wimpernschlag später verschwand die Erde hinter einer riesigen Feuerwolke. Der Feind musste eine furchtbare Salve auf den Planeten abgefeuert haben. Im Saal wurde es totenstill. Dort, wo der blaue Heimatplanet zu sehen sein sollte, standen gigantische, rotglühende Feuerschwaden im Raum. Bange Augenblicke vergingen; voller Spannung, Hoffnung und aufkommender Verzweiflung starrten die Menschen auf den großen Schirm.

Und dann geschah es. Niemand würde es je in seinem Leben vergessen können. Es war einer dieser wenigen Momente, in denen sich die Geschichte in ein davor und danach teilte.

Aus den verwehenden Glutschwaden der letzten Explosionen schob sich die Erde mit hell leuchtendem Schutzschirm heraus. Niemals zuvor hatte sie schöner ausgesehen, als in diesem Moment.



Under Attack by PapaGolf54

***

 

Ann hatte das Erde-Mond-System hinter sich gelassen. Der Angriff auf die Erde hatte aufgehört. Voller Spannung und Ungeduld hatte sie auf den Schirm gestarrt und dabei gehofft und gefleht. Die letzte Angriffswelle hatte entsetzlich ausgesehen. Tränen der Erleichterung waren ihr in die Augen geschossen, als die Erde aus der Glutwolke  aufgetaucht war. Es war ein herzzerreißender Moment gewesen. Die Menschheit, ihre Familie, einfach alles, was sie liebte, hatte überlebt.

Die Störsendungen hatten aufgehört. Sie konnte zwar nicht senden, aber zumindest den Flottenfunk mithören. Nur etwa zweitausend Schiffe der feindlichen Flotte existierten noch. Der Feind hatte einen fürchterlichen Blutzoll entrichten müssen. Mehr als die Hälfte seiner Streitmacht war ausgelöscht worden. Der Rest hatte abgedreht und Kurs auf Jupiter genommen.

Natürlich würde man dem Feind nachsetzen. Die Angriffsgeschwader der Raumflotte hatten bereits die Starterlaubnis erhalten. "Spüren sie den Feind auf und geben sie ihm seine eigene Medizin zu schmecken", hatte die Präsidentin des Rates gefordert. "Wir müssen diese Bedrohung ein für alle Mal beseitigen. Deshalb werden wir den Krieg jetzt mit aller Macht zum Feind tragen."

Ann würde nicht dabei sein können und war darüber tief enttäuscht. Der Gedanke, ihr Schiff und ihre Crew rächen und es dem Feind heim zu zahlen zu können, war außerordentlich verlockend. Aber sie wusste, dass für sie
kein Happy End mehr vorgesehen war. In wenigen Minuten würden die Energie- und Luftreserven der Kapsel verbraucht sein. Das war ihr Beitrag zum Sieg gewesen.

Zunächst waren ihr nur Gedankenblitze durch den Kopf geschossen, als sie beim Systemcheck festgestellt hatte, dass der Com-Laser der Kapsel noch funktionierte. Sie würde nahe genug am Mond vorbeifliegen, um in Reichweite zu kommen. Das würde nur nichts nützen, denn Com-Laser brauchten ein Peilsignal zur Synchronisierung und das hatte sie nicht. Die Chance, dass jemand zufällig in ihre Richtung schauen und ihr Signal entdecken würde war astronomisch gering. Das sah nach einer Sackgasse aus.

Dann wurde ihr klar, was sie tun hatte und sie zögerte keine Sekunde. Unmittelbar über dem Mond hatte sie ihren Vorrat an Treibstoff und Sauerstoff abgelassen und mit einem kurzen Schub der Steuerdüsen entzündet. Mit ihren 500 Kilometern pro Sekunde hatte sie  eine grelle Feuerspur quer über den Mond gezogen. Sie brauchte niemanden mehr, der zufällig hinsah. Sie schrieb ihre Position mit einer dreitausend Kilometer langen Flammenschrift in den Himmel.

Die Sekunden danach waren ihr vorgekommen, wie eine Ewigkeit. Aber dann hatte es funktioniert. Ein lunarer Com-Laser schaltete sich auf und endlich hatte sie ihre Botschaft absetzen können. Nur Augenblicke später war sie außer Reichweite gewesen.

Unendliche Erleichterung hatte sie erfasst. Sieht so aus, als ob ich es doch noch geschafft habe, dachte sie in einem Anflug von Stolz. Der Admiral würde ihr Recht geben, da war sie sich sicher.

Ann wusste, dass ihre Zeit jetzt ablief, aber das war nicht mehr wichtig. Sie nutzte die letzten Minuten zum Aufzeichnen von Nachrichten an ihre Familie; auch an ihre Mutter, mit der sie beim letzten Besuch so aneinander geraten war. Sie lächelte, als sie daran dachte. Der Anlass war so unwichtig gewesen.

Die letzte Nachricht war für ihren alten Freund, den Admiral bestimmt.

"Sir, ich hoffe, dass sie diese Nachricht eines Tages erhalten werden. Sie sollen wissen, dass ich es als Ehre empfunden habe, unter ihnen zu dienen; und was noch wichtiger ist, sie waren mir immer ein guter Freund. Ich hoffe, sie verzeihen mir meinen Fehler bei der Datenübermittlung, aber ich glaube, ich konnte es wieder gutmachen. Leben Sie wohl, Sir und zeigen sie den verdammten Aliens, wo der Hammer hängt!"

Sie hielt inne. Niemals aufgeben niemals kapitulieren; das war der Leitsatz, den der Admiral bei jeder Gelegenheit vorbetete.

"Da ist noch etwas, Sir. Sie haben immer behauptet, dass nichts unmöglich sei. Also gut, Sir. Ich verlasse mich auf sie! Beweisen sie es mir!"

Sie gab eine Anweisung in die Med-Einheit ihres Anzuges ein. Dieses Mal nahm sie die Injektion klaglos hin. Erstaunlicherweise fühlte sie wohltuende Wärme, als der Anzug sie in den Winterschlaf versetzte.

 *** ENDE ***

 
V.1.3.1 vom 07.06.2017

I was asked to write a story to my picture "Under Attack". It took some time, but here it is.
Sorry folks, it is written in German

Under Attack by PapaGolf54

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inconstantlight's avatar
Peter, sorry I can't read but I do like the art Heart Heart Heart